Niederdeutsche Bühne
ein Stück Wismarsche Theatergeschichte
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es noch keine niederdeutschen Bühnen.
Man kannte lediglich "Plattdeutsche Vereine", "de ok henn un wenn für de Öffentlichkeit Spijök makten, lütt Spillwark upführten".
Als im Sommer 1925 Mitglieder vom Plattdeutschen Verein in Wismar für ein Volksfest "De beiden Babendieks" von Dr. Neese aus Schwerin unter der Regie von Robert Sachse zur Aufführung brachten, wurde der Vorschlag, auch in Wismar eine Niederdeutsche Bühne zu gründen, verwirklicht.
Am 7. September 1925 war die Gründungsversammlung.
Dabei waren Dr. Neese aus Schwerin. Prof. Dr. Krickebcrg von der Niederdeutschen Bühne Rostock, Robert Sachse - ein Schauspieler aus Schwerin, und als erste Bühnenmitglieder zeichneten August Schönberg, Karl Frahm, Max Breuel und Friedrich Piehl.
Max Breuel wurde der erste "Steuermann" der Niederdeutschen Bühne Wismar.
Er wählte als erstes Stück "De Verschriewung" von Heinrich Behnken und unter der Regie von Robert Sachse war schon am 28. November 1925 die erste Premiere im Stadttheater Wismar.
Vun disse Tied an is de Nedderdütsch Bühn so'n Stück Wismersch Theater. Die Wirkungsstätte der Niederdeutschen Bühne Wismar war das Theater in der Mecklenburger Straße, jede Woche eine ausverkaufte Vorstellung. (Es gab sogar "Stammplatzmiete".)
Der Bühnenleiter Max Breuel verzog 1927 nach Grabow und Willi Dethloff übernahm die Leitung bis 1930.
Danach wurde Willi Tack zum Bühnenleiter gewählt und alte Bühnenmitglieder schwärmen: "Mit em wier de richtige Mann funn'n. He oewernähm nich blot dat Stüer, he würd de Seel von de Bühn. He wier de Baas, he makte Regie un spälte sülben mit - 868-mal."
Großes Ansehen gewann die Bühne durch Rundfunkübertragungen, z. B. 1932 "Düstern Latüchten" von Dr. Hagemeisler.
Als 1937 in Berlin ein Treffen Plattdeutscher Vereine stattfand, war Wismar mit den Stücken "Tulipantje" von Paul Schurek sowie mit der Uraufführung von Karl Bunjes "Spektakel in Kleihörn" erfolgreich dabei.
Nach einem Jahrzehnt war es der Wismarer Bühne gelungen, dem Niederdeutschen Theater einen festen Platz im kulturellen Angebot Mecklenburgs zu erobern.
Frauen und Männer aus verschiedenen Berufen, wie Schlosser, Maurer, Hausfrauen, Schulmeister, Bankbeamte und Kaufleute, spielten mit Begeisterung Theater und konnten nach zehn Jahren bereits auf 2000 Aufführungen zurückblicken.
In der Stadt erfreute sich die Bühne einer immer ansteigenden Beliebtheit. Aber auch immer öfter wurde sie aufs Land gerufen, so nach Proseken, Hohen Viecheln, Lübow, Kirchdorf, Klütz, Dorf Mecklenburg, Neubukow, wo sie unzähligen Menschen Freude brachte.
August Schönberg erzählte aus dieser Zeit: "Bi Wind und Wäder, bi Küll un Snee reisen de Späler oewer Land, mal in'n Omnibus, meist up'n Lastwagen, sogor mit'n Sandboot sünd wi in de iersten Johr'n nah Poel führt, ut Leew för de plattdütsch Saak un ok ut Freud an't Spälen, na üm de Lüüd - uns Tokiekers - 'n Freud to maken.
Die Zeit des Faschismus erschwerte die Arbeit der Bühne, jedoch ließen sich die Mitglieder nicht vor den Karren spannen, der da "Völkischer Geist" und "Heldensprache Nordischer Menschen" hieß. Dor harr 'ne Uhl säten! Die Mitglieder der Niederdeutschen Bühne ließen sich nicht missbrauchen. Se hebb'n spält, ümmer düller! - damit die Menschen ihren Spaß in einer schweren Zeit hatten, manchmal nur nachmittags, wegen der "Verdunkelung", oewer de Bühn wier dor för ehr Tokiekers!